Wenn Rotorblätter frosten

01.09.2016

Vereiste Windkraftanlagen bringen die Energieproduktion zum Erliegen. Um die Kraftwerke im Winter möglichst optimal zu betreiben, sind die Unternehmen auf zuverlässige Vereisungsprognosen angewiesen. Im Projekt „ICE CONTROL“ wollen MeteorologInnen der Universität Wien und der ZAMG mit Partnern aus der Wirtschaft neue Methoden für eine bessere Vorhersage entwickeln.

Nebel oder auch „Hochnebel“ – MeteorologInnen sprechen von einem tiefliegenden Stratus – in Kombination mit Temperaturen von unter null Grad Celsius und Wind können Windkraftanlagen kräftig zusetzen. Sie drohen zu vereisen. Bildet sich Eis auf den Rotorblättern, so bleibt den Betreibern nur noch das Abschalten der Anlagen – mit erheblichen ökonomischen Folgen. „Es kommt zu Ertragsverlusten. Der Energieausfall muss anderweitig ausgeglichen werden“, sagt der Meteorologe Manfred Dorninger. Zwar können Rotorblattheizungen bei Bedarf der Vereisung vorbeugen. Doch ihr Einsatz kann nur über möglichst präzise Vorhersagen von Umgebungstemperatur und Vereisungswahrscheinlichkeit kosteneffizient gestaltet werden.

Ziel des Projektes „ICE CONTROL“ ist eine Verbesserung von meteorologischen Vereisungsprognosen, um einen möglichst optimierten Betrieb von Windkraftanlagen im Winter zu ermöglichen. Das vom Klima- und Energiefonds geförderte und von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG abgewickelte Projekt leitet die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). In Zusammenarbeit mit ForscherInnen des Instituts für Meteorologie und Geophysik sowie unter Beteiligung von zwei Unternehmen (Verbund Hydro Power GmbH, Meteotest) sollen in den kommenden drei Jahren bisherige Ansätze für die Vereisungsprognose weiterentwickelt werden.

Unsicherheiten minimieren

„Diese Vorhersagen bauen sich aus verschiedenen Modellen einer sogenannten Modellkette auf“, sagt Projektmitarbeiter Manfred Dorninger. Am Beginn steht ein Wettervorhersagemodell, das mit entsprechenden Beobachtungsdaten gefüttert werden muss. Die resultierenden Vorhersagen dienen als Eingangsparameter für das angeschlossene Vereisungsmodell, welches aus dem zeitlichen Verlauf der meteorologischen Parameter (z.B. Temperatur und Luftfeuchte) den Eisansatz an einem Objekt berechnet. Hinzu kommt ein Modell, welches die Produktionsverluste eines Windparks beschreibt.

„Alle Modelle weisen mal kleinere, mal größere Unsicherheiten auf. Zur Quantifizierung der Unsicherheiten variieren wir bewusst die Beobachtungsdaten und die Modelleinstellungen und vergleichen das Ergebnis mit dem Referenzlauf“, so Dorninger. Diesen Vorgang wiederholen die WissenschafterInnen bis zu 50 Mal. Sie erhalten so ein Ensemble von Vorhersagen. „Deren statistische Auswertung liefert Auskunft über die Zuverlässigkeit der Referenzprognose respektive der Unsicherheit der Vorhersagen“, sagt der Meteorologe. Die Kenntnisse der Modellunsicherheiten eingebunden in ein sogenanntes „Cost/Loss Modell“ erlauben eine optimierte Betriebsführung der Anlagen. Das Projekt „ICE CONTROL“ will dazu methodische Vorarbeiten leisten.

Ertragsverluste durch Vereisung

In Österreich kommt es besonders in Lagen von 600 bis 1.500 Metern Seehöhe immer wieder zu ungeplanten Stillstandzeiten von Windkraftanalagen durch Vereisung. Etwa 15 Prozent der landesweiten Standorte von Windkraftanlagen haben mit häufiger Vereisung zu kämpfen. Studien haben etwa für Nordostösterreich eine mittlere Vereisungsdauer je nach Höhenlage zwischen drei und 15 Tagen pro Jahr erhoben. Im Waldviertel geht man von einer mittleren Vereisungsdauer von zehn bis 15 Tagen aus.

„Um künftige Klimaziele zu erfüllen, ist von einem weiteren Ausbau von Anlagen an alpinen und voralpinen Standorten auszugehen. Demnach werden auch die vereisungsbedingten Ertragsverluste in Österreich künftig an Bedeutung gewinnen und die Nachfrage nach möglichst präzisen Vorhersagemodellen steigen“, so Dorninger.


Das Projekt „ICE CONTROL“ wird über den Klima- und Energiefonds gefördert und läuft von April 2016 bis März 2019. Projektpartner sind die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Leiter), das Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien, die VERBUND Hydro Power GmbH und die Schweizer Firma Meteotest.

Kontakt:

Ass.-Prof. Mag. Dr. Manfred Dorninger

Institut für Meteorologie und Geophysik, Universität Wien

E-Mail: manfred.dorninger@univie.ac.at

Tel.: +43-1-4277-537 31

Copyright: VERBUND Hydro Power GmbH

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