Wie Gesteine reagieren: "Die Neugier treibt mich an"

27.09.2019

Geologin Anna Rogowitz vom Department für Geodynamik und Sedimentologie der Universität Wien erforscht, wie Gesteine sich unter Spannung oder veränderter Temperatur verhalten. 2018 erhielt sie für ihre Forschungsarbeit über Deformations-Feedback-Prozesse den Post-Doc Award der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie.

"Ich schaue mir an, wie sich natürliche Gesteine unter Spannung und verändertem Druck und Temperatur verhalten beziehungsweise deformieren“, sagt die Geologin Anna Rogowitz, wenn sie nach ihrer Arbeit gefragt wird. Die gebürtige Polin arbeitete während und nach ihrem Master an der Ruhr-Universität Bochum zunächst zwei Jahre in einem Ingenieurbüro, bevor sie sich für eine wissenschaftliche Karriere entschied und 2012 als PhD-Studentin ans Institut für Geodynamik und Sedimentologie der Universität Wien kam. Seit 2015 forscht Anna Rogowitz dort als Universitätsassistentin mit Schwerpunkt Deformations-Feedback-Prozesse.

"Deformation Feedback ist ein Überbegriff – einerseits für die unterschiedlichen Prozesse, die unter der Erde stattfinden und sich gegenseitig beeinflussen und triggern, andererseits aber auch für die verschiedenen Kleinprojekte, an denen ich arbeite", erklärt die Geologin. Man habe in den letzten Jahrzehnten einiges über die einzelnen Deformationsprozesse herausgefunden, „aber wie sie zusammenspielen, ist noch nicht im Detail erforscht“, sagt Rogowitz.

Mikrorisse in Kristallen

So schaue sie sich zum Beispiel den Kreislauf an, „wie Mikrorisse in einzelnen Kristallen dazu führen, dass diese sich verbiegen und dadurch eventuell Kristallbaufehler, sogenannte Versetzungen, generieren“. Diese Versetzungen könnten später Spurenelemente aufnehmen, wodurch sie langsamer werden. „Das wiederum führt dazu, dass das Material härter wird und weitere Mikrorisse entstehen.“ Ein solches Materialverhalten auf Nano- bis Mikro-Maßstab sei mit dem Verhalten großräumiger makroskopischer Störungen zu vergleichen, welche bei Erdbeben reaktiviert werden.

Die Grundlagenforscherin arbeitet vorwiegend mit experimentellen GeophysikerInnen zusammen, die das mechanische Verhalten von Gesteinen studieren, sowie mit MaterialwissenschafterInnen. 2017 war sie deshalb auch für einen Monat als Gastwissenschaftlerin am Max Planck Institut für Eisenforschung in Düsseldorf, um einige Methoden auszutesten, „die in den Materialwissenschaften schon sehr gängig sind, aber in der Geologie noch nicht“.

Prestige nicht so wichtig

Vergangenes Jahr erhielt die Forscherin für ihre Arbeit an Deformations-Feedback-Prozessen einen der beiden Post-Doc Awards der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie der Universität Wien. Damit bekommt sie für bis zu drei Jahre 5.000 Euro jährlich als Unterstützung für ihr Forschungsvorhaben. Zudem wurde sie 2018 auch mit dem Otto Ampferer-Preis der Österreichischen Geologischen Gesellschaft als beste Nachwuchs-Geowissenschaftlerin ausgezeichnet. „Ich freue mich sehr über die Preise, weil es mir ermöglicht, die Arbeit weiterzuverfolgen, die mich interessiert und mir Spaß macht“, sagt sie. „Das Prestige, das damit verbunden ist, ist mir nicht so wichtig – es ist die Neugier, die mich antreibt.“

"Studierende im Unterricht zu begeistern"

Neben der Forschung liegt Anna Rogowitz auch die Lehre sehr am Herzen. So unterrichtet sie unter anderem „Strukturgeologie und Tektonik“ sowie „Mikrostrukturen in Geomaterialien“ und betreut Masteranden und Doktoranden. Um sich selbst auch als Vortragende weiterzubilden, besucht Rogowitz derzeit zudem den Zertifikatskurs „Teaching Competence Plus“ zur Professionalisierung universitärer Lehrkompetenz. „Ich mag es, wenn man Studierende durch Analogexperimente und Spielereien im Unterricht begeistern und damit wirklich für eine Sache interessieren kann“, sagt sie. „Und ich finde es ganz wichtig, ihnen zu Beginn den Aufbau meiner Vorlesung zu erläutern, damit sie wissen, was auf sie zukommt und sich besser organisieren können – das klingt sehr simpel, aber bringt viel.“

„Was kommt, weiß man nicht“

Zwei Jahre läuft ihr Vertrag an der Uni Wien noch – gibt es bereits Pläne für später?
„Was kommt, weiß man nicht. Ich habe aber bereits eine Idee für ein größeres Projekt, das auf meiner Arbeit mit Deformations-Feedback-Prozessen aufbaut.“ Damit hofft sie, Forschungsgelder für sich und zusätzliche DoktorandInnen zu akquirieren. In einem FWF-Projekt befasst sie sich derzeit zudem mit der Rheologie von Eklogiten, also dem Verformungsverhalten von dichten, metamorphen Gesteinen, die unter hohem Druck entstehen. Auch daraus könnte sich Neues ergeben. Am liebsten würde sie jedoch noch weiter in der jetzigen Forschungsgruppe in Wien arbeiten und ihrem Gebiet treu bleiben. „Und außerdem ist mein Chef der beste auf der Welt!“, sagt sie lachend. (isa)

Anna Rogowitz während eines Geländepraktikums zu ihrer Lehrveranstaltung "Strukturgeologie und Tektonik" in Matrei (Osttirol). Die Geologin erforscht Deformations-Feedback-Prozesse: "'Deformation Feedback' ist ein Überbegriff für die unterschiedlichen Prozesse, die unter der Erde stattfinden und sich gegenseitig beeinflussen und triggern. Es ist aber auch ein Überbegriff für die unterschiedlichsten Kleinprojekte, an denen ich arbeite", erklärt Anna Rogowitz.

© A Rogowitz; in Kooperation mit dem MPIE, Düsseldorf

So sieht sie sich zum Beispiel den Kreislauf von Mikrorissen in Kristallen an. Ein reaktivierter, intrakristalliner Mikroriss ist hier abgebildet. Oben sieht man eine farbkodierte Darstellung der Elektronenrückstreubeugung; das weiße Rechteck markiert die Verortung des ECC-Bildes von unten, das eine erhöhte Versetzungsdichte nahe des Mikrorisses zeigt.

Deformation feedback – brittle precursor triggering crystal plasticity (Kooperation mit dem MPIE, Düsseldorf) - © A Rogowitz

© Bernhard Grasemann

2018 erhielt die Forscherin für ihre Arbeit an Deformations-Feedback-Prozessen einen der beiden Post-Doc Awards der Fakultät sowie den Otto Ampferer-Preis der Österreichischen Geologischen Gesellschaft als beste Nachwuchs-Geowissenschaftlerin. Ihr Ziel wäre es, in der Forschungsgruppe von Bernhard Grasemann zu bleiben - dem, wie sie sagt, "besten Chef auf der Welt".