In memoriam Rudolf Gutdeutsch (1930-2021)

17.08.2021

Die Fakultät und insbesondere das Institut für Meteorologie und Geophysik trauern um Rudolf Gutdeutsch, der am 11. August im Alter von 90 Jahren friedlich entschlafen ist. Rudolf Gutdeutsch war ein begeisterter Seismologe, Proponent der Potenzialtheorie und Begründer der Historischen Erdbebenforschung in Österreich. Unsere Anteilnahme gilt seiner Familie und seinen Freunden. Ein Nachruf von Wolfgang Lenhardt, Christa Hammerl und Kayihan Aric.

Rudolf Gutdeutsch wurde am 9. Oktober 1930 in Hannover geboren. Seine berufliche Laufbahn begann bei der Firma SEISMOS, bei der er bis 1959 tätig war. Danach, von 1959-1963, studierte er unter dem Geophysiker Heinz Menzel an der Technischen Universität Clausthal. Dort lernte er auch den Geophysiker Kayihan Aric kennen, der ebenfalls später an der Universität Wien tätig war und mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband.

1963-1972 verbrachte er an der Universität Hamburg, mit Ausnahme eines Sabbaticals 1966/67 an der University of California, Berkeley und 1967-68 an der University of California, Los Angeles (UCLA). In dieser Zeit unternahm er auch Seefahrten mit den Forschungsschiffen des Deutschen Hydrographischen Instituts (DHI), es war der Beginn der seeseismischen Forschung.

Von 1967-1970 war er Privatdozent für Geophysik (Habilitation 1967) und von 1970-1971 Professor für Geophysik und stellvertretender Institutsdirektor am Institut für die Physik des Erdkörpers/ Fakultät Fachbereich Geowissenschaften an der Universität Hamburg.

1971 erfolgte seine Berufung auf den Lehrstuhl für Geophysik an der Universität Wien als o. Univ.-Prof.; 1972 übersiedelte er mit seiner Familie nach Klosterneuburg.

Blieb der Seismologie zeitlebens treu

Seine Tätigkeitsfelder in der Geophysik waren vielseitig, anfangs widmete er sich jedoch - geprägt durch seine Aufenthalte in Kalifornien - vor allem der Seismologie, der er auch zeitlebens treu blieb.

Ab 1975 fanden die seismischen Alpenlängsprofile statt. In der Folge war dann über Jahrzehnte die seismologische Untersuchung der Ostalpen, die sich mit den seismischen Eigenschaften und den seismotektonischen Gegebenheiten der Ostalpen befasste, um seismisch aktive und passiv aktive Störungszonen zu erfassen, ein Hauptarbeitsbereich von Gutdeutsch, seinen Kolleg*innen und Student*innen am Institut für Meteorologie und Geophysik. Dies führte zu einer Vielzahl an Publikationen, die den Aufbau der Erdkruste in dem sehr komplexen Orogen der Ostalpen behandelten. Diese Forschungsarbeiten dienten letztlich einer verbesserten Einschätzung der Erdbebengefährdung und damit einer erdbebenangepassten Bauweise und somit dem Schutz der Bevölkerung.

Wissenschaftliche Fakten zur Erdbebensicherheit von Atomkraftwerken

Ein Expertenstreit bezüglich der Erdbebensicherheit von Atomkraftwerken in Österreich - es folgte 1978 eine Volksabstimmung über das AKW Zwentendorf - veranlassten Rolf Gutdeutsch an diese Frage wissenschaftlich heranzugehen, um grundlegende Fakten zu schaffen.

Damit initiierte er die Historische Erdbebenforschung in Österreich, ein wichtiges Arbeitsgebiet hinsichtlich der Erforschung von Erdbeben in der vorinstrumentellen Zeit. 1987 erschien dazu die Publikation „Erdbeben als historisches Ereignis“ gemeinsam mit Ch. Hammerl, I. Mayer und K. Vocelka im Springer Verlag. Somit trug er zu einem Verständnis und damit einer wissenschaftlichen Behandlung des Themas der Erdbebengefährdung wesentlich bei. 1986 wurde er Chairman der neu eingerichteten Arbeitsgruppe „Historical Earthquake Data“ innerhalb der Europäischen Seismologischen Kommission (ESC).

Gutdeutsch übersetzte und überarbeitete auch ein Standardwerk seines amerikanischen Kollegen und Freund Bruce Bolt, Professor für Seismologie an der University of California in Berkeley. Das Werk „Erdbeben: Eine Einführung“ erschien 1984 im Springer Verlag.

Potenzialtheorie und Signalanalyse

Etwas später weiteten sich seine Interessen auf die Potenzialtheorie aus, was zu einem weiteren Standardwerk „Anwendungen der Potentialtheorie auf geophysikalische Felder“ im Jahr 1986 führte, das wesentliche Fragen der Gravimetrie und Magnetik hinsichtlich der Feldfortsetzung behandelte.
Dazu kam der technologische Fortschritt der 1980er-Jahre, Gutdeutsch führte als erster die digitale Verarbeitung der geophysikalischen Messwerte in Österreich ein. Dieses Thema griff er auch sofort auf, und befasste sich mit dem heute noch immer relevanten Thema der „Signalanalyse“. Rolf Gutdeutsch emeritierte 2000.

Rolf Gutdeutsch prägte die Geophysik in Österreich durch seine unzähligen wissenschaftlichen Arbeiten. Nach mehreren Forschungsaufenthalten u.a. in Ungarn, der CSSR, USA und Neuseeland pflegte er zeitlebens Freundschaften zu Kolleg*innen in der ganzen Welt, wie Lajos Stegena von der Eötvös Universität, Budapest, Antal Ádám von der ungarischen Akademie der Wissenschaften in Sopron, Vít Kárník von der Tschechischen Technischen Universität Prag, um nur einige wenige zu nennen.

Rolf Gutdeutsch verlor nie sein Interesse und seine Neugier an der Wissenschaft. Auch sein großes Wissen und seine Liebe zur Literatur, Kunst und Musik machten seine Persönlichkeit aus.

Am 11. August 2021 entschlief Rolf Gutdeutsch nach einem erfüllten Leben im Alter von 90 Jahren friedlich. Unsere Anteilnahme gilt in diesen schweren Stunden seiner Familie und seinen Freunden. Wir werden sein Andenken in Ehren halten.

(Ein Nachruf von Wolfgang Lenhardt, Christa Hammerl und Kayihan Aric)

  • Die Verabschiedung findet am Montag, den 23. August 2021 um 12 Uhr in der Aufbahrungshalle des Klosterneuburger Unteren Stadtfriedhofes (Martinstraße) statt. Anschließend wird Rudolf Gutdeutsch zu seiner letzten Ruhestätte geleitet.

Die Fakultät für Geophysik, Geographie und Astronomie und insbesondere das Institut für Meteorologie und Geophysik trauern um Rudolf Gutdeutsch.

Rudolf Gutdeutsch, emeritierter Professor am Institut für Meteorologie und Geophysik, verstarb am 11. August im Alter von 90 Jahren. Foto: Götz Bokelmann

Rudolf Gutdeutsch, emeritierter Professor am Institut für Meteorologie und Geophysik, verstarb am 11. August im Alter von 90 Jahren. Foto: Götz Bokelmann