Dem Kohlenstoff in den Tiefen der Erde auf der Spur

28.04.2021

Ob als Schmelze oder als feste Minerale: Karbonate sind vermutlich die bedeutendsten Träger von Kohlenstoff im Inneren unserer Erde. Doch wie sich Karbonate unter hohem Druck und bei verschiedenen Temperaturen genau verhalten – und damit auch die Frage, in welcher Form sie in den Tiefen des Erdmantels vorliegen – ist noch weitgehend unbeantwortet.

In einem Joint Project des FWF untersuchen Forscher des Instituts für Mineralogie und Kristallographie nun gemeinsam mit sibirischen Kolleg*innen, wie künstlich hergestellte kaliumhältige Karbonate auf verschiedene Druck- und Temperaturzustände reagieren. Über das Projekt wird auch eine Doktorand*innenstelle an der Vienna International School for Earth and Space Sciences finanziert.

„Das Vorkommen von Kohlenstoff im Planeteninneren, seine Verteilung zwischen dem metallischen Kern und dem Erdmantel, aber auch der Austausch des in der Tiefe lagernden Kohlenstoffs mit der Atmosphäre und Biosphäre sind aktuell bedeutende Forschungsfragen in Bezug auf den globalen Kohlenstoffkreislauf“, erklärt Ronald Miletich, Professor für Mineralogie und Kristallographie an der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie der Universität Wien.

Großes Reservoir von Kohlenstoff im Erdmantel

Im so genannten oxidischen Erdmantel unseres Planeten sind dabei CO2 und Karbonate die vermutlich essentiellen Bestandteile. „Sie liegen dabei in Form von CO2-hältigen Fluiden, Schmelzen, aber auch als feste karbonatische Mineralphasen vor und bilden ein großes Reservoir im Erdmantel“, so der Kristallograph. Dass sie dort vorliegen, ist bewiesen: „Durch kleinste Einschlüsse in natürlichen Diamanten, die vermutlich teilweise sogar knapp vor der Mantel-Erdkern-Grenze in 2750 km Tiefe gebildet wurden, wissen wir, dass es diese Karbonate gibt, und auch, dass diese dichten Hochdruckkarbonate stets signifikante Natrium- und Kaliumgehalte aufweisen“, erklärt Miletich.

Diese unter hohem Druck gebildeten Minerale in Diamanten sind seltene natürliche Beweise für die Existenz von CO2 in den Tiefen des Erdmantels. Allerdings ist noch unklar, ob die Karbonate schon beim Wachstum des Diamanten als kristalline Bestandteile in der Tiefe eingeschlossen werden, oder ob der wachsende Diamant karbonatische Schmelztröpfchen einschloss, die erst später im Zuge der Abkühlung auskristallisierten. „Diese Frage ist jedoch entscheidend, um die Bedingungen der Entstehung zweifelsfrei bestimmen zu können“, betont Miletich, stellvertretender Leiter des Instituts für Mineralogie und Kristallographie.

Künstliche Karbonate

In einem neuen FWF Joint Project untersucht er daher gemeinsam mit dem russischen Forschungspartner vom Sobolev-Institut des sibirischen Zweiges der Russischen Akademie der Wissenschaften in Nowosibirsk, die Stabilität der kristallinen Phasen von künstlichen Karbonaten und ob sich diese in weitere noch nicht bekannte Formen umwandeln. „In diese Tiefen der Erde können wir nicht vordringen, doch mit Hilfe unseres Forschungspartners in Sibirien können wir diese Karbonate künstlich herstellen und dann in der sogenannten Diamantstempelzelle unter vergleichbaren Bedingungen untersuchen“, sagt Miletich.

Die Zusammenarbeit mit der Russischen Akademie der Wissenschaften entstand im Zuge des Joint Projects neu, was den Kristallographen freut: „Die Kolleg*innen in Nowosibirsk kennen wir natürlich lange, aber eher im Sinne einer wissenschaftlichen Konkurrenz in diesem Bereich – nun aber bündeln wir unsere Interessen und ziehen gemeinsam an einem Strang.“

Ziehen gemeinsam an einem Strang

Die Synthese der Karbonate erfolgt in Sibirien mittels der Technik der Vielstempelpresse. Anschließend werden die künstlich hergestellten Karbonate mit Hilfe von etablierten Hochdrucktechniken und mit kombinierbaren Heiztechniken in der Diamantstempelzelle untersucht. „Dafür verwenden wir unter anderem Röntgenbeugungsmethoden und Schwingungsspektroskopie“, erklärt Miletich. Die experimentellen Untersuchungen in den Diamantstempelzellen werden sowohl in den Laboren in Wien wie auch in Nowosibirsk bewerkstelligt, ergänzt durch Messungen mit Synchrotronstrahlung an entsprechenden europäischen Großforschungseinrichtungen.

  • Die Existenz von Kalium-hältigen Karbonaten ist durch die Untersuchungen an Diamanteinschlüssen belegt. Kalium selbst hat den Effekt, den Schmelzpunkt von Karbonatphasen zu erniedrigen, sodass Kalium-reiche Karbonate bei niedrigeren Temperaturen schmelzen, bzw. deren Existenz als kristalline Festkörper höhere Drücke erwarten lassen würden. Die Stabilität derartiger kristalliner Phasen, mögliche Umwandlungen in weitere noch nicht bekannte Formen sollen im Rahmen dieser Studie untersucht werden. Außerdem sollen die sogenannten thermomechanischen Eigenschaften ermittelt werden, die nötig sind um entsprechende Modellierungen der Bildungsbedingungen vornehmen zu können.


Doktorand*innenstelle bei VISESS

Über das Projekt wird auch eine Doktorand*innenstelle an der Vienna International School for Earth and Space Sciences finanziert. „Schließlich bietet diese neue Doktoratsschule an unserer Fakultät insbesondere auch für die Zusammenarbeit über die Fachgrenzen hinweg – sei es mit der Lithosphärenforschung, der Geowissenschaft oder auch der Planetaren Geologie – besonders gute Möglichkeiten“, betont Kristallograph Miletich.

Über das Projekt

Diamant. Foto: SnapLaunch auf Pixabay, CC

Als Diamant wird Kohlenstoff in elementarer Form im Erdmantel durch so genannte Redox-Prozesse aus Karbonaten gebildet. Doch darüber, in welcher Form die Karbonate in den Tiefen der Erde vorliegen, ist noch wenig bekannt. Foto: SnapLaunch auf Pixabay, CC

In einem Joint Project des FWF untersucht der Kristallograph Ronald Miletich von der Universität Wien nun gemeinsam mit sibirischen Kolleg*innen, wie kaliumhältige Karbonate auf verschiedene Druck- und Temperaturzustände reagieren. Foto: Universität Wien

Am Sobolev-Institut des sibirischen Zweiges der Russischen Akademie der Wissenschaften in Nowosibirsk werden dafür kaliumhältige Karbonate künstlich hergestellt. Foto: Obakeneko on Wikimedia, CC 3.0

In der so genannten Diamantstempelzelle können diese dann unter Bedingungen untersucht werden, die denen in der Tiefe der Erde ähneln. Foto: Martin Ende/Universität Wien

Durch Kalium schmelzen Karbonatphasen generell bei niedrigeren Temperaturen bzw. würden kaliumhaltige Karbonate in Form kristalliner Festkörper höhere Drücke erwarten lassen. Foto: BXXXD auf Wikimedia, CC 3.0