Lagerstätten verlassener Minen als Labor nutzen

27.06.2018

Wie interagiert eine verlassenen Mine mit der Umwelt und welchen Einfluss haben Sonne, Wind und Regen auf ehemals begehrte Erze? Tamara Đorđević vom Institut für Mineralogie und Kristallographie der Universität Wien hat nationale und internationale Fachleute mit unterschiedlichen Spezialgebieten zusammengetrommelt, um in Mazedonien grundlegende Forschung in Umweltmineralogie zu betreiben. Es geht um die Frage, ob und wie giftige Elemente wie Thallium, Antimon, Arsen oder Chrom Luft und Wasser verschmutzen könnten.

Tamara Đorđević hat sich viele Jahre mit der Kristallzucht (Synthese) und Struktur-Kristallographie von mineral-ähnlichen anorganischen Stoffen beschäftigt und sich in Mineralogie und Kristallographie habilitiert. Im Rahmen eines aktuellen Forschungsprojektes im Bereich Umweltmineralogie sieht sie sich nun den umgekehrten Prozess an: den Abbau und die Verwandlung von Erzen, die im Bergbau gefördert wurden. Mit den Vorarbeiten für ihr FWF-Einzelprojekt “UMWELt” (Understanding contaminants associated with mine wastes of the Lojane As-Sb-Cr and the Alsar As-Sb-Tl-Au deposits, FYR Macedonia) begann die Lektorin bereits 2014.

Lagerstätten verlassener Minen in Mazedonien

Die beiden aufgelassenen, aber nicht abgesicherten Minen hat die gebürtige Serbin mit Bedacht gewählt: „Die Lagerstätten Alsar und Lojane wollen wir als Labore nutzen. Die Erzminerale sind gut untersucht, aber was passiert bei der Verwitterung, was mit dem Abraum, mit Pulver oder Konzentraten, was an der Oberfläche und welche Prozesse finden in der Tiefe statt?“ Die Minen am Westbalkan liegen in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien. Alsar im Süden, an der Grenze zu Griechenland; Lojane im Norden, an der Grenze zu Serbien und dem Kosovo. Die umweltmineralogische Grundlagenforschung gestaltet sich somit komplex; es müssen viele Dimensionen beachtet werden.

„Wir müssen unterschiedliche Methoden zur Anwendung bringen, um verschiedene Phasen der untersuchten Minerale – von kristallin bis amorph – nachzuweisen: mineralogische, kristallographische, geochemische, wir arbeiten mit Spektroskopie und Röntgenkristallographie. Für die gemeinsame Forschung konnte ich Fachleute im Haus, von der TU Wien, dem Naturhistorischen Museum in Wien und international gewinnen“, fasst die Forscherin zusammen.

Warum das wichtig ist, illustriert sie am plakativen Beispiel von Graphit und Diamant: Chemisch sind die beiden Phasen von Kohlenstoff ident, doch die eine kann man verschmieren und die andere ist extrem hart und wertvoll. Alle physischen Eigenschaften – wie die Interaktion der untersuchten (giftigen)  Minerale Thallium, Antimon, Arsen und Chrom mit Sonnenlicht, Wasser, Druck oder Luft – hängen an der genauen Struktur.

Von der Makro- bis zur Nanoebene

Das Projekt wird vom Wissenschaftsfonds FWF finanziert und läuft bis 2021. Zweimal im Jahr reist Tamara Đorđević mit verschiedenen Fachleuten zu den Lagerstätten und erfasst verschiedene Dimensionen von der Makro- bis zur Nanoebene: Von der Topographie des Geländes, Proben vom faustgroßen Erzbrocken bis zum Porenwasser, von der verwitterten Oberfläche, entlang des Tiefenprofils, von Konzentraten in den aufgelassenen Anlagen und dem Abraummaterial. „Wir müssen wissen, wie die Minerale genau vorliegen, um zu erkennen, ob und wie sie mit Umweltmedien interagieren könnten“, erklärt die Spezialistin für Mineralogie und Kristallographie, die auch eine umsichtige Kommunikatorin und Koordinatorin ist.

Datenbank der Kontaminanten

Letztlich sollen die Erkenntnisse, wie sich mögliche Kontaminanten weiterentwickeln, in eine Datenbank fließen, um so eine Basis für die Untersuchung andere Minerale und Minen zu bilden. Natürlich könne die Forschung nur der erste Schritt sein, um weitere Maßnahmen  einzuleiten, um die Bevölkerung in der Umgebung zu schützen, falls das notwendig ist: „Die Gegend ist wunderschön, aber das Wasser würde ich nicht trinken. Es gibt Siedlungen in der Nähe und grasende Kühe. Wir müssen wissen, was es dort alles gibt und in welcher Form, um mögliche Umweltgefahren einordnen zu können“, erklärt Đorđević.

  • Zum Projekt: Das FWF-Einzelprojekt “UMWELt” (Understanding contaminants associated with mine wastes of the Lojane As-Sb-Cr and the Alsar As-Sb-Tl-Au deposits, FYR Macedonia) beschäftigt sich mit dem Verständnis von Schadstoffen in Bergbauabfällen.
    Laufzeit: Jänner 2018 bis Dezember 2021; Projektförderung rund 347.000 €
    Projekthomepage: https://pf.fwf.ac.at/de/wissenschaft-konkret/project-finder/42619
Tamara Đorđević und Todor Serafimovski.

Tamara Đorđević mit Todor Serafimovski an der Lagerstätte Lojane im Norden Mazedoniens. Für das Projekt UMWELt hat die Kristallographin ein internationales ExpertInnen-Team zusammengestellt. Copyright: Tamara Đorđević

Antimon-Erz

Im Projekt UMWELt geht es um die Frage, ob und wie giftige Elemente wie Thallium, Antimon (im Bild Antimon-Erz), Arsen oder Chrom Luft und Wasser verschmutzen könnten. Copyright: Tamara Đorđević

Auf einem anderen Planet?

Die Erzminerale selbst seien gut untersucht, so Tamara Đorđević, doch was passiert bei der Verwitterung, was mit dem Abraum, mit Pulver oder Konzentraten - sowohl an der Oberfläche als auch in der Tiefe? Copyright: Tamara Đorđević

Copyright: Tamara Đorđević

"Wir müssen wissen, wie die Minerale genau vorliegen, um zu erkennen, ob und wie sie mit Umweltmedien interagieren könnten," erklärt die Kristallographin (hier bei der Entnahme von Proben in Lojane). Copyright: Tamara Đorđević

Falls Umweltgefahren vorhanden sind, könnte die Forschung auch ein erster Schritt sein, um die Bevölkerung in der Umgebung zu schützen (im Bild der Mineneingang beim Dorf Majdan). Copyright: Tamara Đorđević