Heiße Lavaproben von aktiven Vulkanen

23.11.2021

Expedition zur „Cumbre Vieja“: Federico Casetta und Theodoros Ntaflos vom Department für Lithosphärenforschung nahmen Anfang November Proben des aktiven Vulkans auf La Palma. Sie untersuchen die Rolle der Gase im Erdmantel als treibende Kraft für die Bildung eines Vulkans.

Nach 50 Jahren Ruhe brach am 19. September 2021 der Vulkan „Cumbre Vieja“ auf der kanarischen Insel La Palma aus: Weit über 200 Millionen Kubikmeter Lava und Asche wurden ausgestoßen sowie riesige Gasmengen – bis zu 50.000 Tonnen pro Tag – freigesetzt. Der andauernde Vulkanausbruch bedroht die Bewohner*innen der kanarischen Insel und ihre Wirtschaft schwer. Hunderte Häuser wurden bereits zerstört und unter Lava und Asche begraben und mehr als 6.000 Menschen aus der Gefahrenzone evakuiert.

Für Lithosphärenforscher*innen bietet dieses tragische Ereignis jedoch auch die Möglichkeit, wichtige – bisher noch fehlende – Daten zu Plattentektonik und Vulkanismus auf den kanarischen Inseln zu erheben

Proben des abkühlenden Lavastroms

Ausbruch des

Zerstörung durch den Lavastrom. Foto: © Theodoros Ntaflos, Federico Casetta / Universität Wien

Fotos: © Theodoros Ntaflos, Federico Casetta / Universität Wien


Daher organisierten Theodoros Ntaflos und Federico Casetta von der Universität Wien gemeinsam mit Andrea Rizzo (INGV – Sektion Palermo) und Andres Sandoval Velasquez (Universität Palermo) und weiteren Kolleg*innen des INVOLCAN-ITER-Zentrums der Kanarischen Inseln  die Probennahme des aktuellen Vulkanausbruchs auf Cumbre Vieja, La Palma an verschiedenen Stellen des abkühlenden Lavastroms.

Obwohl die kontinuierliche Vulkanaktivität auf den Kanarischen Inseln – die letzten Eruptionen ereigneten sich 1909 am Teide auf Teneriffa, 1971 auf La Palma und 2011-2012 auf El Hierro – gut untersucht ist, ist die Frage über die Wirkung der Plattentektonik auf das Vulkan-Magma-System in dem Archipel noch nicht vollständig geklärt. Um diese Lücke zu schließen, ziehen die Forscher*innen neue Untersuchungsmethoden heran, um etwa die in der Lava gelöschten Gase zu quantifizieren.

„Wir versuchen, Momentaufnahmen der Entwicklung des Vulkanismus auf La Palma zu erhalten“, erklärt Theodoros Ntaflos vom Department für Lithosphärenforschung. Daher sammeln die Forscher*innen nicht nur aktuelle Proben, sondern auch Proben von älteren – historischen und prähistorischen – Vulkanausbrüchen und Ereignissen. Ziel ist es, die in Flüssigkeitseinschlüssen in diesen Proben enthaltenen Gase (volatile Komponenten) zu analysieren und daraus die Entstehungsbedingungen eines Vulkanausbruchs abzuleiten.

"Der abkühlende Lavastrom des ,Cumbre Vieja‘ besteht quasi aus einem oberen Teil, der sich aus Schlacken und fragmentierter Lava zusammensetzt, und einem massiven inneren Teil, der reich an millimetergroßen Phänokristallen aus Olivin und Pyroxen und millimeter- bis zentimetergroßen Blasen ist. Gelegentlich werden größere Olivin-Xenokristalle und Gesteinsfragmente aus dem Erdmantel beziehungsweise aus der Erdkruste stammen", erklärt Federico Casetta von der Universität Wien.

 Xenolithe: Eingeschlossene Erdmantelgesteine

Xenolith. Foto: © Theodoros Ntaflos, Federico Casetta / Universität Wien

Mantelxenolithe (grün) werden oft in basaltischen Laven (schwarz) mit an die Erdoberfäche transportiert. Foto: © Theodoros Ntaflos, Federico Casetta / Universität Wien

Häufig werden Erdmantelgesteine, sogenannte Xenolithe (griechisch, xenos = „fremd“ und lithos = „Stein“), in den genetisch fremden vulkanischen Gesteinen eingeschlossen und an die Erdoberfläche transportiert. Aufgrund des schnellen Transports der Lava an die Erdoberfläche haben die mitgerissenen Xenolithe keine Zeit, um mit ihrer Umgebung zu reagieren. Daher stellen sie quasi „Moment-Aufnahmen“ des Erdmantels dar. Zusätzlich zur Beprobung des aktiven Lavastroms wurden durch das Forschungsteam auch Erdmantel-Xenolithe (siehe Foto) gesammelt, die während der letzten hunderttausend Jahre durch Vulkaneruptionen auf der Insel La Palma an die Oberfläche gebracht wurden. Sowohl die Lava als auch die Xenolithen werden nun geochemisch und mit Hilfe von mikroanalytischen Methoden untersucht.


„Um ein umfassendes Bild des Kreislaufs der volatilen Komponenten in der Lithosphäre unterhalb der Kanarischen Inseln zu erhalten, müssen wir verstehen, welche Prozesse sich im Erdmantel abspielen – in Bezug auf partielles Schmelzen, metasomatische Prozesse und thermische Redoxbedingungen“, so Lithosphärenforscher Casetta. „Danach werden wir versuchen, die Millionen Jahre lange Geschichte des Erdmantels mit der kurzfristig Dynamik eines Vulkans in Verbindung zu bringen.“ Dabei werden Parameter wie Magmaaufstieg, Entgasung, Magmakammerbildung und Magmen-Mischung genau untersucht.

Von der Erforschung der Prozesse zwischen dem Erdmantel und dem Vulkan Cumbre Vieja erhofft man sich auch Rückschlüsse auf die Evolution der Erde. „Die integrierte Anwendung von Petrologie, thermodynamischer Modellierung, Geospeedometrie, Flüssigkeitseinschlüssen und Gasgeochemie ist ein effizienter Weg zur Erforschung der Evolution der Erde und eröffnet neue Perspektiven für ein besseres Verständnis der Ursachen von Mantelprozessen und vulkanischen Phänomenen“, sagt Ntaflos, der als ehemaliger Professor am Department für Lithosphärenforschung auch im Ruhestand noch aktiv weiterforscht.

Durch die Untersuchung sollen auch Informationen gewonnen werden, um die Modelle für die Überwachung aktiver Vulkane zu verbessern: „Die gesammelten Proben aus der „Cumbre Vieja“-Eruption werden in dieser Hinsicht äußerst wichtig sein, da sie eine große Menge sowohl von im Magma gewachsenen Kristallen (Phänokristallen), als auch Fragmente von Kristallen aus der tiefen Kruste und dem Mantel (Xenokristalle) enthalten“, so Lithosphärenforscher Ntaflos.

 Vulkanausbrüche besser überwachen

Vulkanausbruch La Palma. Foto: V68 on Pixabay

Der Ursprung und die Rolle der Gase (z.B. H, N, NH3, CH4, H2O, CO2 und SO2) während der Entstehung von Magma in der Tiefe des Erdmantels und seines Aufstiegs zur Oberfläche, der zu Vulkaneruptionen unterschiedlicher Intensität führt, ist von großer Bedeutung. Aus diesem Grund ist es wichtig zu verstehen, wie der Kreislauf volatiler Komponenten (Gase) im Erdmantel und die gasförmigen Emissionen von Vulkanen verknüpft sind. Die Gase können entscheidende Hinweise liefern, ob Vulkanausbrüche langfristig oder kurzfristig entstehen – entsprechend kann die Strategie der Vulkanüberwachung geplant werden.

In den nächsten Wochen werden alle gesammelte Gesteine mit modernsten Analysetechniken, die im Department für Lithosphärenforschung der Universität Wien zur Verfügung stehen, intensiv untersucht. Davon erhoffen sich die Forscher neue Erkenntnisse über die Hauptkräfte, die die „Cumbre Vieja“-Eruption antreiben, vom Erdmantel bis zur Erdoberfläche.