Gletscher-Sterben: Geologische Daten als „Records of Loss“

10.12.2020

Gletschersee vor der Pasterze

Die Pasterze von Südosten, von der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe, in Bildmitte der Johannisberg am 10. August 2020. Foto: CC, Max Baier

Bilder und Daten aus einem Projekt des Instituts für Geologie zur Pasterze wurden – gemeinsam mit zahlreichen anderen Quellen – von Axel Braun künstlerisch zur Installation „Records of Loss“ verarbeitet. Die Mixed Media-Installation ist derzeit noch bis 14. Februar im Rahmen der Ausstellung „Nach uns die Sintflut“ im Kunst Haus Wien zu sehen.

Die Pasterze, der größte Gletscher Österreichs, schrumpft jährlich, und in den letzten Jahren besonders stark - stellenweise in seiner Mächtigkeit mit bis zu zehn Metern pro Jahr. Durch die Klimaerwärmung droht der berühmte Gletscher im Nationalpark Hohe Tauern in den nächsten Jahrzehnten zu „sterben“: Sogar wenn sich das Klima nur um 1,5 Grad erwärmt, was immer unwahrscheinlicher scheint, wäre er bereits im Jahr 2050 verschwunden.

Im Rahmen der Ausstellung „Hinter uns die Sintflut“, die sich aus verschiedenen künstlerischen Perspektiven mit den Auswirkungen des Klimawandels beschäftigt, spielen Gletscher, u.a. die Pasterze, daher eine zentrale Rolle. Eines der Kunstprojekte, die Mixed Media-Installation „Records of Loss“ von Axel Braun beruht dabei auch auf Daten des Projekts „Geological Records of a dying Glacier” des Instituts für Geologie an der Universität Wien.

Die Pasterze als Analoglabor

In diesem Forschungsprojekt wurde die Pasterze analysiert und simuliert, um von den Fließbewegungen und Veränderungen des Eises auf das Verhalten von Gestein in der Tiefe zu schließen: Gletschereis verhält sich unter Oberflächenbedingungen ähnlich wie plastische Gesteinsformationen (so genanntes duktiles Gestein) in etwa 20 Kilometern Tiefe bei 400 bis 500 Grad Celsius. Verschiebungen im Eis können damit Aufschluss geben über das Gesteinsverhalten in größerer Erdtiefe, das man nicht unmittelbar beobachten kann. Auf diese Weise nutzen die Forscher*innen um Bernhard Grasemann, Martin Schöpfer und Franziska Mayrhofer die Pasterze am Großglockner quasi als Analoglabor, um das Fließ- und Störungsverhalten des Eises zu modellieren.

Von der Aneignungs- zur Verlustgeschichte

In seiner Installation im Rahmen der aktuellen Ausstellung im Kunst Haus Wien nutzt Axel Braun diese Daten nun künstlerisch: Er kombinierte historische Darstellungen des Gletschers mit Visualisierungen von aktuellen Gletschervermessungen; unter anderem wird auch die Animation der Drohnen-3D Modelle der Gruppe um Bernhard Grasemann am Institut für Geologie gezeigt. Ergänzt wird das Material durch die eigene fotografische und filmische Dokumentation von Axel Braun, für die er unter anderem Geolog*innen der Universitäten Wien und Graz bei ihrer Feldarbeit auf der Pasterze begleitete.

Die Installation zeichnet, so Axel Braun im Video zur Ausstellung, gewissermaßen die Abbildungsgeschichte der Pasterze visuell nach, um auf die Auswirkungen des Klimawandels aufmerksam zu machen. Dabei war die Abbildungsgeschichte der Pasterze zunächst eine „Aneignungsgeschichte“; ging es doch in den zahlreichen wissenschaftlichen Abbildungen zunächst darum, dem Menschen eine lebensfeindliche Umgebung überhaupt erst zugänglich machen. Doch durch das Sterben der Gletscher werden „alle Dokumente zu Zeugnissen des Verlustes“, erklärt Braun.

 Video (Youtube)


Auch das Sterben des Gepatschferner-Gletschers wird in der Ausstellung künstlerisch behandelt: Michael Goldgruber verwirklichte die rund zehn Meter lange Wandinstallation "Talschluss", die aus 420 einzeln an die Wand montierten Aufnahmen des Gepatschferner besteht. Südlich oberhalb des Kaunertals gelegen, ist er der zweitgrößte Gletscher Österreichs und einer der am schnellsten schmelzenden. Innerhalb von zehn Jahren schrumpfte die Gletscherzunge um 700 Meter.

Zur Videoserie Nach uns die Sintflut


Schwindende Gletscher und Polkappen, steigende Meeresspiegel und versteppte Landflächen: Die Folgen des menschengemachten Klimawandels sind längst sichtbar. Die 21 österreichischen und internationalen Künstlerinnen und Künstler der Ausstellung veranschaulichen durch Fotografie und Video die ökologischen Auswirkungen unseres wachstumsorientierten Wirtschaftssystems. Oft in jahrelanger Recherche und in Zusammenarbeit mit WissenschaftlerInnen entstanden, geben die Werke den abstrakten Prozessen und komplexen Zusammenhängen der Klimakrise eine visuelle Form. Die Ausstellung steht programmatisch für die Anliegen und Schwerpunkte, die das Kunst Haus Wien als Grünes Museum verfolgt: Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen sowie künstlerische Fotografie.

Für Mitglieder bietet der Alumni-Verband der Universität Wien eine Führung am 28.01.2021 um 16:30! Zur Anmeldung


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