Die Klaviatur von Umweltprozessen
Prozesse in der Umwelt steuern den Transport von Stoffen in Wasser, Boden und Luft sowie das Verhalten kleinster Partikel. Diese untersuchen zwei Arbeitsgruppen am Department für Umweltgeowissenschaften mit bahnbrechenden Methoden.
1. Feb. 2016
Sand und Kies sind der am häufigsten verwendete Baurohstoff. Dieser ist in einem alpinen Land aber nur begrenzt verfügbar. Potenzielle Abbauflächen stehen im Nutzungskonflikt mit einer Reihe anderer Landnutzungen. Gegen das Abgraben von Baggerseen sprachen lange aber vor allem auch die vermeintlich negativen Folgen für die Grundwasserqualität, sagt Thilo Hofmann, Leiter von einer der zwei Arbeitsgruppen am Department. Mit seiner Gruppe konnte der Umweltgeowissenschafter in einer österreichweiten Studie jedoch klar belegen: Baggerseen können ökologisch auch große Vorteile haben – und damit auch der Verbesserung der Grundwasserqualität dienen.
Unser Ziel ist, wesentliche Prozesse, die Umweltprozesse steuern, zu verstehen und dieses Verständnis auf die Lösung wichtiger Umweltprobleme der Gegenwart und Zukunft anzuwenden.“
Thilo Hofmann, Professor für Umweltgeowissenschaften
Sie ziehen besondere Tier- und Pflanzengesellschaften an. Gelangt mit Nitrat oder Pestiziden belastetes Grundwasser in den See, kann die dort ausgebildete Flora und Fauna die Schadstoffe abbauen. „Baggerseen sind unter Einhaltung bestimmter Regeln eine effiziente Kläranlage“, so der Arbeitsgruppenleiter. Mit ihrer Studie haben die ForscherInnen zu einer unter der Schirmherrschaft des Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverbands angefertigten Richtlinie zum Schutz des Grundwassers beim Abbau von Sand und Kies beigetragen. Diese veranlasste z.B. das Land Niederösterreich bereits, seinen Rohstoffleitplan zu überarbeiten.
Spuren anthropogener Einträge
Schadstoffe und ihr Verhalten in der Umwelt sind neben der Hydrogeologie ein weiteres großes Arbeitsgebiet der Wiener Umweltgeowissenschaften um Thilo Hofmann. Oft stehen dabei Verunreinigungen und mögliche Gegenmaßnahmen im Vordergrund. Aktuelle Projekte untersuchen etwa den Einfluss von Mikroplastik auf das Verhalten von Schadstoffen in Gewässern sowie den Einsatz von Biokohle zur Sanierung von schwach kontaminierten Böden. In manchen Fällen können anthropogene Schadstoffe auch helfen, natürliche Prozesse sichtbar zu machen: In einem Projekt für einen Wasserversorger dient z.B. Gadolinium als Anzeiger für Wechselwirkungen zwischen Fluss- und Grundwasser. Gadolinium kommt als Kontrastmittel bei der Magnetresonanztomographie zum Einsatz. Der extrem stabile und hoch toxische Stoff wird vom menschlichen Körper sehr schnell wieder ausgeschieden. „Infiltriert ein mit Abwasser belasteter Fluss in den Grundwasserleiter, haben wir durch das Gadolinium ein ideales Signal für unsere Analysen“, sagt Thilo Hofmann. So lässt sich erheben, wie viel Flusswasser sich in das Grundwasser mischt, wie schnell sich das Flusswasser bewegt und welche Anteile von Schadstoffen mittransportiert werden.
Der dritte große Arbeitsschwerpunkt der Gruppe sind die Nanogeowissenschaften: also die Analyse von Umweltprozessen auf der Nanoskala (ein Nanometer ist ein Millionstel Millimeter). Aufbauend auf ihre international renommierte Analytik für natürliche Nanopartikel liegt ein Fokus von Thilo Hofmann und seinem Kollegen Frank von der Kammer heute auf künstlich hergestellten Nanopartikeln.
Wir wollen an oder mit Nanopartikeln ablaufende Prozesse verstehen. Rechnet man die kleinen Partikel auf ihre Oberfläche um, stellen sie einen großen Teil der reaktiven Oberflächen auf unserem Planeten.“
Frank von der Kammer, stellvertretender Departmentleiter
Über ein ERA-NET-Projekt arbeiten die Wiener ForscherInnen aktuell am Nutzen und Risiko von Nano-Pestiziden wie Kupferoxid-Nanopartikeln in Böden und untersuchen ihr Verhalten. In einer jüngst abgeschlossenen Studie untersuchten sie das Verhalten von technischem Titandioxid (TiO2) – ein häufiger Bestandteil von Sonnencremes – in Oberflächenwässern wie der Alten Donau in Wien. Für die Messungen wurde eine spezielle Analytik entwickelt. Ihre Erfahrung bei der Methodenentwicklung bringt die Gruppe derzeit auch in diversen internationalen Arbeitsgruppen ein, darunter bei der Entwicklung von OECD-Leitfäden für die Testung von Nanopartikeln.
„Eine zentrale Frage unserer Forschung ist seit rund zehn Jahren, wie man technische Partikel überhaupt von natürlichen unterscheiden kann“, sagt der Nanogeowissenschafter Frank von der Kammer: „Dass dies geht, konnten wir bereits anhand von Cerdioxid, einem potenziellen Zusatzstoff von Kraftstoffen, zeigen.“ Es hatte sich gezeigt, dass natürliche Partikel oft Verunreinigungen aufweisen. Das Metall Cer tritt in natürlichen Proben praktisch immer zusammen mit Lanthan auf. Technische Partikel sind hingegen hochgradig rein. Für diesen Nachweis wurde eine „Einzelpartikel-Mehrelementanalytik“ entwickelt. Ein entsprechendes Instrument wird derzeit zusammen mit dem Institut für Analytische Chemie beschafft. In Zusammenarbeit mit der ETH Zürich will man nun eine Wissensdatenbank aufbauen: Über die Analyse von natürlichen Partikeln soll ein System deren Elementmuster erheben. Es soll später einmal als Referenz für Partikel in unbekannten Proben dienen – und zur Klärung der Frage: natürlichem oder technischem Ursprungs?
Umwelt- und Isotopengeochemie
Die Umweltgeochemie von Nähr- und Schadstoffen ist der Fokus der zweiten Arbeitsgruppe am Department, die von Stephan Krämer geleitet wird. „Die Versorgung von Bakterien, Pflanzen oder Menschen mit den lebensnotwendigen Spurennährstoffen prägt unsere Umwelt auf bedeutende Weise“, sagt Walter Schenkeveld, der die Nährstoffaufnahme untersucht: „Zum Beispiel beeinflussen die Eisenversorgung von Phytoplankton in den Ozeanen und die Kupferversorgung von methanotrophen Bakterien das Klima.“ Das Team untersucht, welche Faktoren zur geringen Verfügbarkeit der Mikronährstoffe in aquatischen Systemen sowie Böden führen und welche biogeochemischen Prozesse Organismen nutzen, um die Verfügbarkeit zu erhöhen.
Aufbauend auf ihr tiefgreifendes Verständnis des Erdsystems sind GeowissenschafterInnen prädestiniert dafür, das Verhältnis von Mensch und Umwelt zu analysieren.“
Stephan Krämer, Professor für Isotopen- und Biogeochemie
Bei anorganischen Schadstoffen wie Quecksilber, Uran und Chrom analysiert die Arbeitsgruppe Umweltgeochemie um Krämer Prozesse zur Mobilisierung oder Immobilisierung der Metalle. So stellt sich etwa die Frage, unter welchen Bedingungen durch Uran-Munition kontaminierte Böden das Grundwasser gefährden. „Abgereichertes Uran“ (ein Abfallprodukt bei der Anreicherung von natürlichem Uran) kommt und kam als panzerbrechende Munition in vielen Konfliktgebieten zum Einsatz. Als ein „gefährliches Mineral“ gilt etwa Chrysotil. Es wurde viele Jahre in der Asbestzementherstellung eingesetzt. Im Zuge der ungeregelten Entsorgung der Asbestzementabfälle und seiner Nutzung als Recyclingmaterial kam es auch hier zu Bodenkontaminationen. Ob und wie schnell die natürliche Verwitterung des Chrysotils zum Abbau der Kontamination beiträgt und ob die Verwitterungsprozesse durch Pflanzen beschleunigt werden können, sind Fragen eines aktuellen Projektes.
Die UmweltgeochemikerInnen widmen sich zudem der stabilen Isotopengeochemie von Metallen in der Umwelt. Die meisten chemischen Elemente im Periodensystem bestehen aus einer Mischung verschiedener stabiler Isotope. Die genaue isotopische Zusammensetzung der natürlichen Materialien, also die relativen Isotopenverhältnisse in einer Umweltprobe, weisen dabei kleine Variationen auf. „Durch die hochpräzise Messung des isotopischen Fingerabdrucks können Rückschlüsse auf die geochemische Geschichte eines Elementes in einer Umweltprobe gezogen werden“, sagt Krämer’s Mitarbeiter Jan Wiederhold: „Über die charakteristische Isotopensignatur kann man verschiedene Kontaminationsquellen von Schwermetallen oder verschiedene Prozesse in biogeochemischen Kreisläufen unterscheiden.“ Die Bestimmung der Isotopensignatur von Quecksilber (Hg) steht im Mittelpunkt aktueller Forschung der Gruppe. In Zusammenarbeit mit Partnern aus Deutschland und der Schweiz ist es Ziel, die Transportpfade und Umwandlungsmechanismen von Quecksilber an belasteten Standorten aufzuklären und zu einem besseren Verständnis des Hg-Verhaltens in der Umwelt beizutragen. Möglich ist die hochpräzise Analyse der Isotopenverhältnisse von Metallen dabei erst seit kurzer Zeit, nämlich durch neue Messmethoden wie die „Multikollektor-Plasma-Massenspektrometrie“ (MC-ICP-MS). Das Verfahren lässt die Wiener ForscherInnen nun ganz neue Fragestellungen in der Umweltgeochemie behandeln.