Von Edelsteinen und Faszination: „Traut euch ruhig!“

07.12.2021

Im Dezember 2021 tritt die Mineralogin Manuela Zeug das Marie Jahoda-Stipendium der Universität Wien an. Die Mineralogie sieht sie als „faszinierende Wissenschaft, die auch in der Wirtschaft und insbesondere in der Entwicklung neuer Materialien eine große Rolle spielt“. Für die Zukunftsplanung spielt auch die neue Kettenvertragsregelung eine große Rolle: „Man muss mobil bleiben und hoffen, dass man irgendwo sesshaft werden kann“, so die passionierte Forscherin und zweifache Mutter.

Schon als Kind sammelte Manuela Zeug in ihren Urlauben „kiloweise“ Steine; folgerichtig begann die Hamburgerin ihre wissenschaftliche Karriere zunächst in der Geologie: „Mich interessierte das große Ganze, die erdgeschichtliche Entwicklung“, erzählt Manuela Zeug.

Doch schon früh während des Studiums zog es sie zum Nebenfach Mineralogie, und da insbesondere zu den Edelsteinen. Wobei sie weniger die Schönheit dieser Steine faszinierte, sondern vor allem die Bedingungen ihrer Entstehung und die vielfältigen Möglichkeiten, das Wissen darüber in der Jetztzeit einzusetzen: „Egal ob wir über bruch- und kratzsichere Handydisplays sprechen, das bei Uhren eingesetzte Saphirglas oder Yttrium-Aluminium-Granate in Festkörperlasern: Dahinter steckt viel Wissen über diese Minerale und ihrer synthetischen Äquivalente“, erklärt die Mineralogin.

"Wirklich überglücklich"

In ihrer Diplomarbeit untersuchte sie unter anderem Titan-reiche Granate und verband so die Geologie und Mineralogie. Anschließend beschloss sie, sich auf die Spektroskopie von Edelsteinen zu konzentrieren und kam nach Österreich: „Ich war damals wirklich überglücklich, als ich die Doktorandenstelle bei Lutz Nasdala hier an der Universität Wien antreten durfte, der in diesem Fachbereich auch international zu den führenden Wissenschaftern gehört“, erzählt Zeug.

Für ihre Dissertation vertiefte sie sich ab 2012 in die Spektroskopie von Edelsteinmaterialien, „insbesondere in die lichtspektroskopischen Mikromethoden wie die Raman Spektroskopie, mit denen man unter anderem auch Edelsteine von ihren Imitationen unterscheiden kann“.

  • Info: Die Raman Spektroskopie enthüllt unter die Material-Zusammensetzung, Kristallinität, Kristallorientierung oder auch Verspannungen in einem Mineral. Das Grundprinzip: Einstrahlendes Licht trifft auf die Moleküle des untersuchten Materials, die sich aus diesem Licht die Energie nehmen, die sie benötigen, um zu schwingen. Das zurückgestreute – nun energieärmere – Licht wird anschließend von einem Detektor aufgefangen und in ein Spektrum übersetzt. Dieses Spektrum ist für jedes Mineral charakteristisch. Dadurch ist es möglich, auch einen in einem Schmuckstück gefassten Edelstein klar zu identifizieren, ohne ihn zu zerstören oder aus der Fassung zu nehmen.

Auch Nachbehandlungen werden mithilfe dieser Methode sichtbar: „Häufig werden beispielsweise Risse in Diamanten, Rubinen oder Smaragden mit Bleiglas oder bestimmten (Kunst-)Harzen verfüllt, damit die Edelsteine transparent und makellosscheinen – doch mittels Raman Spektroskopie sind solche, die Edelsteineigenschaft verbessernden Maßnahmen, vergleichsweise schnell und zerstörungsfrei zu identifizieren“, erklärt Zeug.
Seit dem Abschluss ihres Doktorats Ende 2020 arbeitet sie über eine Karenzvertretungs-Stelle am Institut für Mineralogie und Kristallographie; ab Dezember 2021 wird ihre Forschung nun über das Marie Jahoda Stipendium der Universität Wien finanziert.

Was danach kommt, ist derzeit noch unklar: „Durch das neue Universitätsgesetz und die Kettenvertragsregelung ist meine Zukunftsplanung gerade etwas schwierig“, sagt Zeug. Sie überlegt, ein weiteres Forschungsprojekt einzureichen, doch ohne freie Stelle würde sie mit ihrem Mann – ebenfalls einem Mineralogen und Kristallographen – wohl ins Ausland gehen. Derzeit ist aber noch alles offen: „Wir müssen mobil bleiben und weitersehen, hoffen aber schon auch, dass wir bald irgendwo sesshaft werden können“, erzählt Zeug.

Faszinierende Wissenschaft

Die Begeisterung für ihr Fach hat sie sich jedenfalls bis heute erhalten: „Für mich ist die Mineralogie eine faszinierende Wissenschaft, die auch in der Wirtschaft und insbesondere in der Entwicklung neuer Materialien eine große Rolle spielt.“ Umso bedauerlicher sei daher, dass das Interesse für ihre Fachdisziplin schon seit Jahren stetig sinkt: „Immer weniger Studierende entscheiden sich für diese Teildisziplin der Geowissenschaften, das finde ich sehr schade.“

Schade einerseits aus wissenschaftlicher Sicht – schließlich sei die Mineralogie und Kristallographie ein wichtiges Bindeglied zwischen der Geologie, Chemie und Physik –, aber auch in Bezug auf Nachhaltigkeit: „Umweltmineralogie beispielsweise ist zentral, wenn es darum geht, Umweltschäden aus dem Bergbau gering zu halten“, so Zeug. Auch in der Industrie könnten sich über neue synthetische Materialien für Werkzeuge oder Werkstoffe neue Anwendungsfelder auftun.

Über den Tellerrand hinaus

„In all diesen Bereichen hilft es immer sehr, wenn man über den Tellerrand der eigenen Fragestellung und der eigenen Disziplin blicken kann“, erzählt die Wissenschafterin. Da sie selbst sich immer auch mit vielen wissenschaftlichen Fragestellungen beschäftigt hat, pflegt sie Kontakte zu Kolleg*innen aus den unterschiedlichsten Fachbereichen – von der Edelsteinkunde und Mineralogie bis hin zur Geologie, Lagerstättenkunde und Petrologie: „Dieses Netzwerk ist insbesondere auch bei praktischen Fragestellungen und Anträgen für Forschungsprojekten wichtig“, sagt sie. Mithilfe des Marie Jahoda-Stipendiums arbeitet sie derzeit auch an einem Drittmittelantrag zu lichtspektroskopischen Mikromethoden und daran, bisherige Forschungsergebnisse zusammenzufassen und wissenschaftlich zu publizieren.

Doch auch bei der Suche nach einer fixen Stelle kann ein breites Netzwerk den Ausschlag geben. „Ich würde gerne in der Wissenschaft bleiben, doch auch in der Industrie gibt es interessante Möglichkeiten“, erzählt sie. Allerdings seien oft auch dort die Jobchancen für Mineralog*innen nicht immer rosig: „Obwohl wir viele Bereiche verbinden, sucht die Industrie eher Chemiker*innen oder Materialwissenschaftler*innen. Also an alle in der Industrie: Traut euch ruhig, die Mineralog*innen zu nehmen!“, lacht Zeug.

Manuela Zeug. Foto: © Manuela Zeug/Universität Wien

Schon als Kind sammelte Manuela Zeug in ihren Urlauben „kiloweise“ Steine; folgerichtig begann die Hamburgerin ihre wissenschaftliche Karriere zunächst in der Geologie. Doch schon bald zog es sie zur Mineralogie - und nach Wien. Foto: © Manuela Zeug/Universität Wien

Edelsteine. Foto: © Manuela Zeug/Universität Wien

Sie konzentriert sich in ihrer Forschung am Institut für Mineralogie und Kristallographie insbesondere auf Edelsteine - weniger aufgrund ihrer Schönheit, sondern aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten, das Wissen über Edelsteine auch in der Wirtschaft einzusetzen - beispielsweise bei bruch- und kratzsicheren Handydisplays. Foto: © Manuela Zeug/Universität Wien

Foto: © Manuela Zeug/Universität Wien

Für ihre Dissertation vertiefte sie sich ab 2012 in die Spektroskopie von Edelsteinmaterialien, „insbesondere in die lichtspektroskopischen Mikromethoden wie die Raman Spektroskopie, mit denen man unter anderem auch Edelsteine von ihren Imitationen unterscheiden kann“. Foto: © Manuela Zeug/Universität Wien

Farbkodierte Darstellung der Position der Cr3+-Emission (R1-Bande bei 694nm) des Wirtskorunds um einen strahlengeschädigten Zirkoneinschluss vor und nach einer Hitzebehandlung. Abbildung: © Manuela Zeug/Universität Wien

Lagerstätte auf Sri Lanka.  Foto: © Manuela Zeug/Universität Wien

Zeug sieht die Mineralogie und Kristallographie ein wichtiges Bindeglied zwischen der Geologie, Chemie und Physik –, aber auch in Bezug auf Nachhaltigkeit: „Umweltmineralogie beispielsweise ist zentral, wenn es darum geht, Umweltschäden aus dem Bergbau gering zu halten“. Im Bild eine Lagerstätte auf Sri Lanka. Foto: © Manuela Zeug/Universität Wien