Für die längste Zeit der Erdgeschichte lebten auf der Erde nur mikrobielle Lebensformen: „Hinweise auf mikrobielle Gemeinschaften gibt es bereits im Archaikum vor etwa 3,4 Milliarden Jahren, als noch ganz andere Lebensbedingungen vorherrschten“, erklärt der Geologe Sebastian Viehmann vom Institut für Geologie der Universität Wien.
Welche Lebensbedingungen das damals genau waren, kann anhand ihrer versteinerten Reste, der Stromatolithen, mittlerweile sehr genau erforscht werden: „In den letzten 20 bis 30 Jahren wurden einerseits die Instrumente der Geochemiker*innen genauer und andererseits auch die Methoden weiterentwickelt – dadurch können wir heute bereits sehr viel mehr aus diesem geochemischen Archiv herauslesen“, so Viehmann. In einem Artikel, der im Journal „Earth-Science Reviews“ erschienen ist, haben Viehmann und Simon V. Hohl in einem österreichisch-chinesischen Kooperationsprojekt zusammengetragen, welche neuartigen Methoden in der Isotopengeochemie auf Stromatolithe angewendet werden können, um Lebensbedingungen mikrobieller Habitate während verschiedenster Epochen der Erdgeschichte zu erforschen
Alter, Ernährung und Umwelt der Mikroben-Matten
So kann das Alter der versteinerten Mikroben-Matten über direkte Analysen radiogener Isotopensysteme an Stromatolithen bestimmt werden. „Zudem können wir nachverfolgen, woher die Nährstoffe und andere chemische Elemente in aquatischen Lebensräumen, welche von mikrobiellen Gesellschaften bewohnt wurden, in der damaligen Zeit kamen. In der Erdfrühzeit beispielsweise spielten die heiß-hydrothermalen Systeme, wie man sie heutzutage von schwarzen Rauchern an Mittelozeanischen Rücken kennt, eine wichtige Rolle für die Meerwasserchemie, die dann später sukzessive von kontinentaler Verwitterung dominiert wurde“, so der Geologe. Auch die Zusammensetzung der Atmosphäre – in der Erdfrühzeit entwickelte sie sich von einer Treibhausgas-Atmosphäre zu unserer heutigen Sauerstoff-reichen Atmosphäre – spielte eine bedeutende Rolle bei Verwitterungsprozessen und der Verfügbarkeit von bio-essentiellen Nährstoffen. „Das führte dazu, dass mikrobielle Organismen auf verschiedenste Nährstoffkreisläufe während der unterschiedlichen Epochen der Erdgeschichte angewiesen waren“, erklärt Viehmann.
Sauerstoff vorhanden oder knapp?
Über die Analyse der stabilen Isotopenanwendungen von Stromatolithen können auch Rückschlüsse auf die damaligen Umweltbedingungen gezogen werden: War Sauerstoff vorhanden oder knapp? Welche Metalle und bio-essentiellen Nährstoffe waren vorhanden und wie wurden sie verstoffwechselt? „Anhand von stabilen Isotopen wie Cadmium können wir beispielsweise auf das Verhalten und die Aufnahme von Phosphor, einen wichtigen Nährstoff für die Mikroben, im mikrobiellen Lebensraum schließen“, sagt Simon Hohl von der Tongji Universität in Shanghai.
In dem Artikel in „Earth-Science Reviews“ wurden die dazu derzeit vorhandenen Methoden und Daten zusammengefasst, wobei manche Ergebnisse auch noch widersprüchlich sind. Auch manche Isotopensysteme seien derzeit noch unverstanden beziehungsweise Neuland. „Wir hatten damals ganz andere Sauerstoffbedingungen in der Atmosphäre und dadurch auch andere mikrobielle Gesellschaften, als wir sie heute kennen“, erklärt Viehmann. Zudem können in den gleichen Mikroben-Matten wenige Zentimeter tiefer ganz unterschiedliche Lebensbedingungen vorherrschen: Während die äußeren Mikroben im Kontakt mit Meerwasser und Licht stehen, kann es weiter innen zu Nährstoff- und Sauerstoffknappheit kommen. Um hier weiter wissenschaftlich in die Tiefe zu gehen, sei nun wiederum auch das Wissen der Mikrobiolog*innen gefordert.
Lücke zwischen Mikrobiologie und Geochemie schließen
Dafür wollen die Geolog*innen künftig mit den verschiedenen Mikrobiologie-Forschungsteams, unter anderem auch mit den etablierten Teams an der Universität Wien, zusammenarbeiten: „Ziel des Forschungsprojekts und unseres Artikels war es auch, die Mikrobiologie und die Geochemie näher zusammenbringen – wir wollten zeigen, was wir aus der geochemischen Perspektive wissen oder herausfinden können, nun müssten die Mikrobiolog*innen dann wiederum ihr Wissen darüber einbringen, was unter diesen Bedingungen denn noch wachsen könnte“, lacht Viehmann. So könne man gemeinsam die ältesten geologischen Archive des Lebens auf der Erde entschlüsseln.