Mikroplastik findet sich weltweit: In den Ozeanen, in den Böden, aber auch in der Atmosphäre. Ein Forschungsteam der Universität Wien stellte sich die Frage, ob die allgegenwärtigen Mikroplastikpartikel auch die Bildung von Eiswolken beeinflussen können. Erste Ergebnisse zeigen, dass Mikroplastik in manchen Regionen – insbesondere in Cirruswolken, beispielsweise in der Antarktiks - durchaus auch klimarelevante Größenordnungen erreicht.
Zum Gefrieren von Eis in der Atmosphäre braucht es üblicherweise sogenannte Eiskerne, also Aerosole, an denen der Gefrierprozess beginnt. Ohne solche Eiskerne würden Wassertropfen erst bei Temperaturen nahe -40 Grad Celsius gefrieren. Eiswolken findet man aber auch schon bei höheren Temperaturen recht häufig. In der Atmosphäre dienen vor allem Wüstenstaubpartikel als Eiskerne, aber auch Bioaerosole wie z.B. Sporen. Aus früheren Studien weiß man, dass auch Plastikpartikel prinzipiell als Eiskerne fungieren können. Allerdings ist nicht klar, ob davon genügend Partikel in der Atmosphäre vorhanden sind.
Daten zu Reifenabrieb vorhanden
Das Team der Universität Wien hat hierzu erste Modellergebnisse vorgestellt. Dazu wurden die Emissionen von Plastik aus dem Straßenverkehr herangezogen, weil es dafür vergleichsweise gute Daten gibt. "Zwar ist die Anzahl der Partikel, die aus dem Straßenverkehr freigesetzt werden, auch nicht besonders gut bekannt, aber immerhin haben wir dazu deutlich bessere Daten als bei vielen anderen Quellen von Mikroplastik", erklärt Andreas Stohl, der Leiter der Studie. "Vor allem beim Reifenabrieb, der die mengenmäßig größte Quelle darstellt, gibt es recht gute Informationen über die emittierte Gesamtmasse, und auch die Größenverteilung der freigesetzten Partikel ist einigermaßen bekannt." Zusätzlich berücksichtigten die Forscher*innen auch noch Emissionen aus den Bremsabrieb, aus Straßenmarkierungen und aus dem Asphalt.
Mikroplastik-Eiskerne modelliert
Die Ausbreitung der Partikel in der Atmosphäre wurde dann mit einem atmosphärischen Transportmodell simuliert, und die sich ergebenden Konzentrationen in Regionen der Atmosphäre untersucht, in denen sich Eiswolken bilden. Die teilweise temperaturabhängige Zahl der als Eiskerne aktivierten Mikroplastikpartikel wurde dann mit Eiskernkonzentrationen aus anderen Quellen, vor allem Wüstenstaub, verglichen. Es zeigte sich, dass Mikroplastik zwar insgesamt nur einen kleinen Anteil der Eiskerne stellt, allerdings gibt es Regionen in der Atmosphäre, wo deren Anteil durchaus auch einige Prozent erreichen kann, insbesondere in Cirruswolken in hohen südlichen Breiten und in Mischphasenwolken in den Tropen.
„Die Beiträge sind vor allem dort recht hoch, wo wenig Wüstenstaub hinkommt, etwa in Cirruswolken über der Antarktis“, so Stohl, und sie seien durchaus klimarelevant: „Zwar erscheint ein Beitrag von einigen Prozent nicht besonders groß, doch könnte das ausreichen, um die Bildung von Eiswolken, und damit auch das Klima, zu beeinflussen. Man muss die Resultate auch vor dem Hintergrund sehen, dass wir nicht alle Quellen von Mikroplastik berücksichtigt haben, und dass die Produktion von Plastik weiter zunehmen wird.“ Nach den Ergebnissen dieser Studie ist jedenfalls ein Einfluss von Mikroplastik auf das Klima nicht mehr auszuschließen.
Auswirkungen auf Atmosphäre und Klima
„Obwohl die schädlichen Auswirkungen von Mikroplastik auf Ökosysteme und Organismen bereits vielfach erforscht wurden, sind ihre Auswirkungen auf die Atmosphäre und das Klima bisher noch weitgehend unerforscht – wir bewegen uns da also in einem relativ neuen und faszinierendem Forschungsbereich“, erklärt Daria Tatsii, Erstautorin des im Journal of Geophysical Research erschienen Artikels: „Unsere Studie konzentriert sich auf einen Aspekt - die möglichen Auswirkungen von Mikroplastik auf die Wolkenbildung -, öffnet aber die Tür für weitere Untersuchungen, um die Auswirkungen von Mikroplastik auf das Klima insgesamt besser zu verstehen.“
Aus Sicht der Klimamodellierung seien die Ergebnisse jedenfalls faszinierend, betont Blaž Gasparini, der ebenfalls an der Studie beteiligt war: „Möglicherweise müssen die gängigen Klimamodelle auch anpasst werden, um die neuen Eisnukleations-Mechanismen einzubeziehen. Wichtig wäre es nun jedenfalls, die Ergebnisse durch Messungen in der Atmosphäre zu bestätigen“, so der Klimawissenschafter. Geeignete Methoden für solche Messungen werden derzeit allerdings erst entwickelt, unter anderem im Rahmen des Projekts PlasticSphere, das von Bernadett Weinzierl von der Universität Wien geleitet wird.
Publikation
Die Studie ist im Journal of Geophysical Research erschienen:
Tatsii, D., B. Gasparini, I. Evangelou, S. Bucci, and A. Stohl (2025): Do microplastics contribute to the total number concentration of ice nucleating particles? J. Geophys. Res. 130, e2024JD042827.