Ob unsere Studierenden mehr oder weniger Prüfungen ablegen, hat Auswirkungen auf mehreren Ebenen: Zum einen hängt an der Kennzahl der Prüfungsaktivität ein wesentlicher Teil der universitären Finanzierung und damit auch der Finanzierung der Fakultäten. „Und zum anderen – und das ist eigentlich langfristig viel wichtiger – stellt die Prüfungsaktivität die einfachste Maßzahl für den Studienfortschritt dar und damit dafür, wie erfolgreich wir unsere Studierenden durch ihr Studium begleiten“, sagt Franz Kerschbaum, Vizedekan für Lehre.
Vor diesem Hintergrund wird derzeit universitätsweit ein Schwerpunkt darauf gelegt, die Studierenden noch besser zu begleiten und sie in verschiedenen Bereichen zu unterstützen. An der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie wurden dazu bereits im letzten Studienjahr und auch heuer zahlreiche Initiativen gesetzt. „Das beginnt bei der informierten Studienwahl – Stichwort Online Self-Assessment–, und geht über inklusive und unterstützende Lehr- und Lernformate bis hin zu einem flexiblen und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse eingehenden Prüfungswesen“, so Kerschbaum.
- Prüfungsaktive Studien: Die Zahl der „prüfungsaktiven Studien“ hat direkte Auswirkungen auf die Finanzierung der Universität Wien. In der Leistungsvereinbarung zwischen dem Bund und der Universität Wien ist festgelegt, dass 53.000 Studien im Studienjahr 2022/23 (vom 01.10.2022 bis 30.09.2023) prüfungsaktiv sein müssen, damit die Universität Wien die volle Finanzierung erhält. Um als „prüfungsaktives Studium“ zu gelten, müssen in diesem Fach 16 ECTS-Punkte pro Studienjahr erreicht werden. Schwierig kann dies bei Doppelstudien werden, z.B. bei der beliebten Parallelzulassung für Astronomie und Physik, da die Studien einzeln gezählt werden: Studierende, die in jedem Fach 15 ECTS schaffen, gelten dennoch in beiden Studien als inaktiv.
Das Online-Self-Assessment der Astronomie, das seit dem Vorjahr eingeführt wurde, zeigt auch bereits erste Erfolge, berichtet Manfred Dorninger, der zuständige Studienprogrammleiter an der SPL 28, Erdwissenschaften, Meteorologie-Geophysik und Astronomie: „Die Zahl der Beginner*innen in der Astronomie und damit auch der prozentuale Anteil der drop-out Rate sank seitdem erheblich und dadurch ist auch die STEOP, bei der wir eng mit der Physik zusammenarbeiten, organisatorisch leichter zu bewältigen.“ Durch sinkende Studierendenzahlen werde es nun zwar in der SPL 28 noch schwerer, die Zahl der prüfungsaktiven Studien zu erhöhen: „Doch auf längere Sicht müssen wir dorthin – wir brauchen nicht mehr Studierende, sondern Studierende, die sich sehr bewusst aufgrund der OSA für ihr Studium entschieden haben“, so Dorninger.
Zehn STEO Mentor*innen, die intensiv werkeln
Ansonsten setzt man in der SPL 28 vor allem auf intensive Unterstützung in der Studieneingangsphase (STEOP): „In der SPL 28 haben wir derzeit zehn STEOP Mentor*innen „beschäftigt“, die intensiv werkeln – schauen, dass sich die Leute in Lerngruppen finden, sich vernetzen, und auch, dass wieder ein Studentenleben hineinkommt“, beschreibt Dorninger. Die erste Modulprüfung in der Meteorologie zeigte denn auch, dass der Anteil der bestandenen Prüfungen stark gestiegen ist. Trotz aller Bemühungen wird aber die in den Zielvereinbarungen festgelegte Zahl von rund 700 „prüfungsaktiven Studien“ in der SPL 28 nur schwer realisierbar sein: „Auch bei höheren Studierendenzahlen lagen wir in der letzten Dekade bei maximal 604“, so Dorninger.
Zweiter Hebel am Studien-Ende
Neben der STEOP sieht Daniel Görgl, der Leiter des StudienServiceCenters Geowissenschaften, Geographie und Astronomie, den zweiten „starken Hebel“ am anderen Ende des Studiums, bei den Bachelor- und Masterarbeiten: Wenn die Studierenden ein bisschen länger an ihrer Arbeit schreiben und dabei keine anderen Leistungen mehr erbringen, gelten sie rasch als nicht mehr prüfungsaktiv“, erklärt Görgl.
An diesem Punkt setzt insbesondere die Studienprogrammleitung 29 – Geographie an: „Wir haben das Problem, dass bei uns manche für die Bachelorarbeit viel zu lange brauchen – bis zu drei Semester“, erklärt SPL Robert Peticzka. An der SPL 29 wurde daher ein Studienassistent angestellt, der hier konkret unterstützen soll – mit Schreibmentoring, einem Moodle-Kurs zum Bündeln aller Infos und viel Kommunikation zu Ablauf, Veranstaltungen, die unter anderem vom Center for Teaching and Learning angeboten werden.
Auch der persönliche Kontakt soll noch gestärkt werden: „Manche Studierende sind sehr eingebunden, andere aber für uns wenig greifbar, insbesondere seit der Pandemie – hier wollen wir verstärkt Angebote setzen, beispielsweise mit dem Abend für Bachelorschreibende am 13. Dezember und Kick-off-Veranstaltungen“, so Peticzka. Dennoch: Auch in der Geographie stellen die erforderlichen rund 1500 „prüfungsaktiven Studien“ im Studienjahr 2022/23 eine große Herausforderung dar.
Masterarbeit als Knackpunkt
Künftig will man sich auch verstärkt auf den Bereich der Masterarbeiten konzentrieren – dort könne noch viel getan werden: „Hier handelt es sich zwar um weniger Studierende, aber es ist ein besonders wichtiger Bereich, in dem viele aus der Statistik fallen“, erklärt Görgl vom SSC. An der SPL 28 – vor allem an der Meteorologie – werden viele Studierende auch bereits während des Studiums abgeworben und tun sich im Berufsleben dann besonders schwer, ihre Arbeit abzuschließen. „Studierende haben vielfach die Masterarbeit isoliert von ihrem Masterstudium gesehen. Die Verschränkung Masterstudium mit Masterarbeit soll verstärkt sichtbar und durch entsprechende Lehrveranstaltungen die Studierenden sukzessive an die Masterarbeit herangeführt werden.
- Die Universität Wien hat die Masterarbeit generell verstärkt in den Blick genommen: Über ein neues Projekt arbeitet man daran, den Masterarbeits-Prozess in den unterschiedlichen Studien stärker zu vereinheitlichen, zu begleiten und u.a. Best Practise-Beispiele, wie etwa über u:theses, dem Hochschulschriften-Repositorium der Universität Wien, herauszustellen.
An der Geographie sind viele Master-Lehramtsstudierenden ebenfalls bereits als Lehrer*innen tätig – auch hier verzögert sich die Masterarbeit häufig stark. „Viele dieser Studierenden haben volle Lehrverpflichtungen an Schulen, d.h. sie unterrichten 24 Wochenstunden, wobei die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts darin nicht enthalten sind“, erklärt die zuständige Vize-SPL Christiane Hintermann.
Vizedekan Kerschbaum möchte daher die immer größer werdende Gruppe der nebenbei Berufstätigen künftig verstärkt ins Auge fassen. Gerade im Bereich der Lehramtsstudien müsse man auch stark darauf achten, dass die Studierenden nicht über Gebühr belastet werden.
Nicht auf Kosten der Bildung unserer Jugend
In den letzten Wochen sei von ministerieller Seite durch Äußerungen zu einer gewünschten Verkürzung der Lehrer*innenausbildung viele Unruhe in den durch die Pandemie ohnehin schon stark beanspruchten Bereich der Lehramtstudien gebracht worden, hebt Kerschbaum hervor: „Schneller und billiger soll das Lehramtsstudien werden, aber natürlich bei gleicher Qualität und möglichst berufsbegleitend – da fragen sich die in der Praxis Tätigen wohl zu Recht, wie das möglich sein soll. Wir werden in nächster Zeit sehr darauf achten müssen, dass diese Bestrebungen nicht auf Kosten der Qualität der Ausbildung unserer Absolvent*innen gehen und schließlich auf Kosten der Bildung unserer Jugend“, betont der Vizedekan für Lehre.
Neue Curricula bringen Verbesserungen
Beide Studienprogrammleiter erhoffen sich jedenfalls von den neuen Curricula – in den Erdwissenschaften, der Geographie sowie an der Meteorologie, künftig auch an der Astronomie – Verbesserungen im Ablauf. Die neuen Curricula werden auch vonseiten der Studienvertretungen als positiv hervorgehoben. „In der Meteorologie hat es jetzt anfangs allerdings auch ein paar Probleme der neuen Abfolge der Module im Studienplan und erforderlichem Vorwissen gegeben – da appellieren wir an die Lehrenden, am Beginn der Lehrveranstaltungen einen Wissens-Check zu integrieren - so kann man gleich feststellen, ob es Wissenslücken gibt, die man noch schließen müsse“, sagt David Schuhbauer von der Studienvertretung Meteorologie und Geophysik.
Aus Sicht der Studienvertretung Geographie wäre generell vermehrtes Feedback sehr hilfreich: „Mehr aktives Feedback vonseiten der Lehrenden – vor allem bei den Abschlussarbeiten, aber auch sonst – würde den Studierenden sehr helfen, ihre Prüfungsaktivität zu steigern“, sagt Hannah Kötterl von der STV Geographie.
Bitte um Feedback von Lehrenden
Vonseiten des SSC versucht man den Prozess jedenfalls gemeinsam mit den Lehrenden bestmöglich zu unterstützen: „Wir achten auf die optimale Verteilung der Prüfungstermine, darauf, dass möglichst alle Infos, Erfordernisse, Literatur usw. im Online-Vorlesungsverzeichnis eingetragen sind“, sagt SSC-Leiter Görgl. Die SPLs erhalten zudem die Prüfungsdaten immer zeitnah, um mit Lehrenden Rücksprache halten zu können, wenn Probleme sichtbar werden. „Darüber hinaus freuen wir uns aber immer auch über konkrete Ideen und Vorschläge zur Steigerung der Prüfungsaktivität – und natürlich über Hinweise darauf, wo es hakt“, so Görgl.
Mit Lehrenden und Studierenden gleichermaßen zusammenarbeiten
Auch die Studienvertretungen bitten diesbezüglich um Feedback der Studierenden, aber auch der Lehrenden: „Als Studienvertretung ist es uns ein großes Anliegen, mit Lehrenden und Studierenden gleichermaßen zusammenzuarbeiten, um gemeinsam weitere Verbesserungen im Bereich der Lehre voranzutreiben“, so Flora Ingegneri von der STV Erdwissenschaften. An den Erdwissenschaften wurde von den Studienvertreter*innen in den letzten beiden Semestern Feedback von Studierenden und von Lehrenden gesammelt, um dadurch die Bedürfnisse und Wünsche beider zu vermitteln. Für das Sommersemester ist ein Plenum für alle geplant, die sich zum Thema Lehre austauschen wollen. „Wir würden auch gerne weiterhin herzlich alle Lehrenden einladen, sich bei Problemen, Anregungen und mit Feedback bei uns zu melden“, betont auch Lukas Eder von den Erdwissenschaften.