Sie haben sich von 1999 bis 2006 als Astrophysiker mit der Entwicklung von Galaxien beschäftigt und forschen seither zum Klima. War das naheliegender als es klingt?
Georg Feulner: Naheliegend eigentlich nicht, es war wirklich eine Umorientierung. Allerdings hatte ich neben meiner Liebe zur Astrophysik immer großes Interesse an den Erdwissenschaften. Basis für beide Fächer ist Physik, aber ich habe mit dem Fach die Methodik komplett gewechselt. Am nächsten zur Astrophysik war mein erster Forschungsschwerpunkt zur Sonnenaktivität als Einflussfaktor auf das Klima. Heute arbeite ich zu Klimaveränderungen der Erdgeschichte. Ich will wissen, wie sich das Klima in der Vergangenheit entwickelt hat: vom Klima auf der frühen Erde über globale Vereisungen bis zu verschiedenen Massenaussterben und früheren Warmzeiten, aus denen man vielleicht für das zukünftige Klima etwas lernen kann.
Gibt es da aus Ihrer Sicht besonders interessante Epochen, Regionen, Ereignisse?
Feulner: Am leichtesten zu vergleichen sind Warmzeiten, die noch nicht so lange zurückliegen: das Eem-Interglazial vor 120.000 Jahren oder die Warmzeit im Pliozän vor ungefähr drei Millionen Jahren. Aber spannend ist auch das Eozän vor 50 Millionen Jahren, wo es bereits sehr warm war und dann plötzlich ein noch stärkeres Erwärmungsereignis auftrat. Das zu verstehen, ist interessant. Man kann vielleicht lernen, wann ein System kippt oder sich eine stetige Entwicklung noch beschleunigt.
In welchen Bereichen kann das Wissen über vergangenes Klima noch dazu beitragen, mehr über die Zukunft des Planeten zu erfahren?
Feulner: Die Warmzeiten sind sicher ein lohnendes Forschungsgebiet. Damit wird man mehr über die Stabilität von Systemkomponenten erfahren, über die wir uns Sorgen machen. Die Ozeanzirkulation, die Stabilität von Ökosystemen oder auch die Klimasensitivität, also die Frage, wie stark sich das Klima bei gegebener CO2-Erhöhung erwärmt. Das ist noch eine sehr unsichere Größe, die man aus der Erdgeschichte besser verstehen könnte. Mich persönlich interessiert auch das Zusammenspiel von Klima und Kohlenstoffkreislauf. Wie beeinflusst der biologische Kohlenstoffkreislauf mit seinen Quellen und Senken die CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre? Und was können wir aus Massenaussterben lernen, die klar von CO2-Erhöhung und Ozeanversauerung getrieben waren? Das war etwa beim Perm-Trias- und beim Trias-Jura-Aussterben der Fall.
Wie können die Studierenden aus den Zweigen Erdwissenschaft, Meteorologie und Geographie von Ihrem Fachwissen profitieren?
Feulner: Sehr viel, denke ich. Im Bereich Meteorologie hoffe ich, mit meiner Vorlesung zur Klimamodellierung eine gute Ergänzung zu bieten, indem ich grundlegende Einblicke in diese wichtige Methodik vermittle. Zusätzlich biete ich eine Vorlesung über Klimageschichte an, die auch für Studierende der Erdwissenschaften interessant ist, weil in der Klimageschichte nicht nur die Klimaphysik, sondern auch die Geologie und Biologie als Einflussfaktoren eine wichtige Rolle spielen.
Sie haben einen Preis für herausragende Lehre an der Uni Potsdam bekommen. Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Feulner: Zunächst macht mir die Lehre einfach viel Spaß, das halte ich schon einmal für eine wichtige Voraussetzung. Ich bereite mich gut vor und binde die Studierenden so weit wie möglich ein, indem ich den Unterricht interaktiv gestalte. Den Preis habe ich wohl auch bekommen, weil ich mich in meiner Arbeitsgruppe intensiv um Studierende kümmere, die bei mir Abschlussarbeit schreiben. Das Heranführen junger WissenschaftlerInnen an das wissenschaftliche Arbeiten und Veröffentlichen macht mir sehr viel Freude.
In der Ausschreibung für die Gastprofessur ist Fachwissen mit Schnittstellen zu den Bereichen Umwelt und Anthroposphäre gefordert. Wo liegen die bei Ihnen und was ist geplant?
Feulner: Wir wollen bis Ende August gemeinsam Forschungsprojekte entwickeln und es gab schon fakultätsübergreifende Treffen, um zu sehen, welche Programme sich eignen. Anknüpfungspunkte zur Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie in Wien gibt es jedenfalls bei meiner Forschung zur Erd- und Klimageschichte sowie zur Energiebilanz im Klimasystem. Es ist die Frage, wie wir mit unserem Klima als Teil unserer Umwelt umgehen werden. Wir wollen gemeinsam Forschungsanträge stellen, die Zusammenarbeit so intensivieren und vielleicht auch den Studierendenaustausch mit dem Potsdam-Institut für Klimaforschung initiieren.
Sind Sie ein Befürworter oder ein Gegner des Anthropozän-Begriffs?
Feulner: Die formale Diskussion findet in der Stratigraphie statt mit der Frage, ob sich ein neues Erdzeitalter festmachen lässt. Wenn ich mir ansehe, wie umfassend der menschliche Einfluss auf das System Erde geworden ist, erscheint mir ein eigener Abschnitt in der Erdgeschichte allerdings durchaus gerechtfertigt.
Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Hebel für mehr Nachhaltigkeit auf dem Planeten Erde? Worum müssen wir uns rasch kümmern?
Feulner: Auch wenn einiges im komplexen Klimasystem noch nicht ganz verstanden wird, müssen wir vor allem den CO2-Ausstoß drastisch reduzieren. Wir wissen, dass Kohlendioxid die heutige Erwärmung beeinflusst. Wir wissen, dass die Risiken und Klimafolgen mit jedem Zehntelgrad Erwärmung zunehmen und wir die Wende schaffen müssen. In Paris wurde bei der Klimakonferenz das „Zwei Grad“-Ziel beschlossen: Um die globale Erwärmung auf weniger als zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, müssen wir rasch und entschieden handeln. Ein zweiter wichtiger Bereich ist das moderne Artensterben. In den Tropen muss das großflächige Abholzen von Regenwäldern aufhören. Vor unserer eigenen Haustür muss der Pestizideinsatz zurückgefahren und der Natur wieder mehr Raum gegeben werden. Aktuell beobachten wir zum Beispiel, dass Fluginsekten dramatisch weniger werden.
Warum haben Sie sich für die Ida Pfeiffer-Professur in Wien beworben?
Feulner: Ich fand die Ausschreibung einer freien Gastprofessur spannend. Die Fakultät hat ein breites Forschungsspektrum mit vielen Anknüpfungspunkten zu dem, was ich mache. Ich finde es wichtig, in der Wissenschaft den Arbeitsalltag immer wieder zu verlassen, neue Orte, neue Leute kennenzulernen und über neue Forschungsthemen nachzudenken. Die Gastprofessur ist hierfür eine gute Gelegenheit.
Was wissen Sie über die Namensgeberin der Gastprofessur, die weltreisende Biedermeierdame Ida Pfeiffer?
Feulner (lacht): Ehrlich gesagt noch relativ wenig, aber ich werde das mal nachlesen.
Was gefällt Ihnen an Wien? Waren Sie vorher schon einmal da? Was haben Sie sich vorgenommen?
Feulner: Ja, ich kenne Wien ein bisschen. Wien ist eine tolle Stadt, die mir gut gefällt. Wenn ich jetzt länger hier bin, möchte ich vor allem auch das kulturelle Angebot auskosten, insbesondere im Hinblick auf klassische Musik, Kunst und Architektur.
Sie sind ja ursprünglich aus Oberbayern. Ich darf Ihnen versichern, dass es in Wien auch gutes Bier gibt.
Feulner (lacht): Ich bin eher für ein gutes Glaserl Wein zu haben, aber das gibt es hier ja auch.
Zur Person
Georg Feulner (43) ist stellvertretender Leiter der Abteilung Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Dort leitet er Arbeitsgruppen zu Klimamodellentwicklung und Klimageschichte. Er studierte Physik an der University of Cambridge (Großbritannien) und an der Ludwig-Maximilians-Universität München, an der er im Jahr 2004 auch seine Promotion abschloss. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Klimaveränderungen in der Erdgeschichte und die Energiebilanz des Klimasystems.
Seine Vorlesungen im Sommersemester 2018:
280383 VO Klimageschichte der Erde (ufind)
280387 VO Einführung in die Klimamodellierung (ufind) für Studierende im Master Erdwissenschaften, Bachelor/Master Meteorologie und Master Geographie (Schwerpunkt Physische Geographie)